Political Content

Ich halte mich ja im Allgemeinen aus solchen politischen Diskussionen auf meinen Blogs raus, einfach, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass halbwegs komplexe politische Sachverhalte im Internet grundsätzlich nicht zur Diskussion freigegeben werden sollten. Meinungsfreiheit hin oder her, das funktioniert irgendwie nie und nachher ist immer irgendwer sauer auf irgendwen, obwohl sie eigentlich sogar einer Meinung waren.

Diesmal kann ich mich aber nicht zurückhalten, weil mich die aktuellen Berichte zu den Castor-Transportern wieder etwas aufwühlen und ich mich hier und jetzt zu einer Stellungnahme hinreißen lasse.

Das vorweg: Ich habe nichts, nichts und wieder nichts gegen Atomkraftgegner. Als Biologentochter kann ich das auch gar nicht. Ist wahrscheinlich eine genetische Sache. Ich stehe Energiegewinnung durch Atomkraft auch kritisch gegenüber, glaube aber auf der anderen Seite auch, dass es momentan leider noch nicht genügend (und genügend bezahlbare) Alternativen gibt. Vor allem, wenn man mal bedenkt, wie groß so ein Solarzellenfeld sein muss, um eine durchschnittliche Kleinstadt zu versorgen und dass diese Windräder rein ökologisch auch nicht so der Renner sind. Letztlich kenne ich mich aber auch zu wenig aus, um hier ausreichend qualitative Aussagen zu treffen.

Bei den Castor-Transporten krieg ich aber wirklich jedes Mal die Krise, wenn ich sehe, wie die Atomkraftgegner mit der Polizei Fangen spielen und dann auch noch tierisch stolz drauf sind. Nach meiner naiven Vorstellung verhält sich das so:

1. Der Atommüll existiert. Der lässt sich ja auch leider nicht wegdemonstrieren, auch wenn das eine sehr schöne Idee wäre. Dann würd ich sogar mitdemonstrieren.
2. Es ist unser Atommüll. Warum der in Frankreich war, weiß ich nicht, aber prinzipiell ist es doch wohl verständlich, dass der Atommüll, der von uns Deutschen produziert wurde, auch hier endgelagert wird.
3. Die Zwischen- und Endlager existieren auch. Das ist zwar unschön für die Leute, die da wohnen, aber noch bescheuerter wäre es ja wohl, neue Zwischenlager einzurichten und noch ein paar weitere Kleinstädte in die gleiche Situation zu bringen.

Unter diesen Gesichtspunkten verstehe ich jedes Mal weniger, was die netten Aktivisten wohl damit bezwecken wollen, wenn sie sich mit einer vorhersehbaren Regelmäßigkeit an Bahngleise ketten. Im Zweifelsfall ist der Zug länger unterwegs und mehr Polizisten sind im Einsatz. Richtig entsetzt war ich, als gestern ein junger Mann mit sichtbar stolzgeschwellter Brust und Jack-Wolfskin-Käppi ganz fröhlich in die Kamera posaunte, das wäre ja schon was, wenn man mitkriegen würde, dass sie jetzt über tausend Polizisten beschäftigten.

Ja, und was ist jetzt daran toll? Von dem Geld, was dabei drauf geht, könnte man wahrscheinlich locker schöne neue Lernmaterialien für ein paar bedürftige Schulen kaufen, oder… hey! super Idee!… was in die Erforschung alternativer Energiegewinnung stecken. Mir fallen jedenfalls spontan eine ganze Menge Sachen ein, die man mit dem Geld machen könnte, was hier benötigt wurde, damit ein paar Atomkraftgegner mit der Polizei im Wald Fangen spielen durften. Dass die Castor-Transporte ja doch durchkommen und es immer nur eine Frage ist, wie schnell und wie gut, wissen alle.

Also bitte, demonstrieren dürft ihr alle gerne. Hab ich nichts gegen, macht mal. Mein kleines Biologen-Tochter-Herz ist da sogar ganz auf eurer Seite. Aber für nichts als Aufmerksamkeit, der Freude am Aktivistentum und einmal-in-den-Nachrichten-sein massig Steuergelder verschwenden find ich dann nicht mehr so gut.

3 machen mit. to “Political Content”

  1. Henrik Says:

    Ganz meine Meinung. Genau an solchen Aktionen sieht man wieder mal aufs Neue, dass manche Umweltaktivisten die größten Willkürmenschen überhaupt sind – nicht nur auf Atomtransporte bezogen.

    Wäre wohl mal eine lustige Maßnahme, wenn bei den Leuten, die gegen den Castor demonstrieren, kein Müll mehr abgeholt wird (-:

  2. Mountaishadow Says:

    Ich will hier keine erhitzte Diskussion einleiten, sondern lediglich ein paar Gegenargumente als Gedankenanstößen geben. Ich selber bin bei dem Thema auch noch unentschieden.

    Atomstrom wird ja von den Betreiberfirmen nicht ‚als Selbstzweck‘ produziert. Er scheint momentan eine ordentliche Gewinnspanne abzuwerfen. Zudem ist beim Atomstrom eben der Kraftwerksbau die größte Investition, danach werden anscheinend verhältnismäßig gute Profite eingefahren. Ziel von Protesten muß es also sein, diese Kosten in die Höhe zu treiben. Ich bin mir gar nicht so sicher, wer denn letztendlich für die Polizeikräfte zahlt bzw. ob die Energiefirmen dafür nicht zumindest Teilweise zur Kasse gebeten werden.
    Da ‚die Politik‘ auch ihre Gründe zu haben scheint, mit den atomkraftproduzierenden Stromliferanten keinen ‚ganz harten Kurs‘ (sprich: sofortiger Totalausstieg) zu fahren, hat auch hier der Kernkraftgegner Ansatzpunkte, für erhöhte Kosten und schlechte Publicity zu sorgen um so der Politik Anreize zu geben, seine Position für ‚politisch vorteilhaft‘ einzuschätzen.
    Der Kernkraftgegner zeichnet sich sicherlich durch ein hohes Risikobewustsein der Atomkraft und grade des damit verbundenen atomaren Abfallproblems gegenüber aus. Grade die Atommültransporte sind dafür prädestiniert, dieses Risikobewustsein auszudrücken und ‚zu multiplizieren‘ – zumal Proteste an laufenden Atomkraftwerken aus Sicherheitsgründen ausscheiden.

    Natürlich verbergen sich bei den Atomkraftgegner auch ‚Schlachtenbummler‘ – wie in jeder Bewegung, die zivilen Ungehorsam als Protestform verwendet.

  3. Henrik Says:

    Das Problem ist ja vor allem, dass selbst wenn wir Deutschen aus dem Atomstrom aussteigen werden, muss der Strom ja irgendwo herkommen. Das heißt, er kommt aus französischen, schwedischen, österreichischen oder Schweizer Kraftwerken. Was genau bringt uns das jetzt?
    Wir müssen trotzdem auf Jahrhunderte Atommüll sicher einbunkern – das ist ja auch der eigentlich Stumpfsinn, dagegen zu protestieren – und im Falle eines Unfalls wird die atomare Wolke wohl auch nicht an der deutschen Grenze haltmachen.
    Und was wäre hier die Alternative? Wind, Sonne und Wasser alleine werden den Bedarf niemals decken können, Braunkohle ist jetzt auch nicht grad die perfekt umweltverträgliche Lösung (wer sich schonmal das Loch in Gorleben angeguckt hat, weiß das) und mit Steinkohle ists auch nicht unbedingt anders.
    Es mag ja alles schön und gut klingen, wenn man aus der Atomkraft aussteigt, aber dann hätte man vor Jahren schon damit anfangen müssen, alternative Energieerzeugung viel stärker zu fördern und zu bezuschussen. Am besten schon vor 25 oder 30 Jahren. Und selbst dann müssten wir noch den atomaren Schrott einlagern.
    Quintessenz: Ich verstehe einfach nicht so ganz, wogegen diese Leute protestieren. Ich bin auch nicht uneingeschränkt für Atomstrom, aber es gibt auf absehbare Zeit keine vernünftige Alternative. Und wenn dann plötzlich der Strom fünfmal soviel kostet, stehen genau die gleichen Leute direkt mal wieder auf der Straße, weil der Strom ja so teuer ist. Reflexdemokraten!

Leave a Reply

You must be logged in to post a comment.