Macht doch was ihr wollt

Ich reagiere ja allergisch, wenn ich sowas höre wie „Das muss man gelesen haben“ oder ähnliche Formulierungen.

Meiner Ansicht nach muss man erstmal überhaupt nichts gelesen haben. Heutzutage kann man ja froh sein, wenn überhaupt noch gelesen wird, denn das ist ja offensichtlich auch nicht selbstverständlich. Da noch Ansprüche stellen zu wollen, was denn dann bitte schön so im Einzelnen gelesen werden sollte, scheint mir ein wenig gewagt und sieht generell nicht so gut aus. Bei keinem.

Wahrscheinlich hat jeder halbwegs bücherinteressierte Mensch seine eigene ganz persönliche Liste mit den Büchern, die er für besonders unverzichtbar hält. Ich behaupte hier aber auch direkt mal ganz dreist und unverschämt, dass die bei jedem anders aussieht und auf meiner Liste Bücher stehen, von denen andere noch nie gehört haben, während auf der anderen Seite Bücher fehlen, die andere auf ihrer Liste ganz weit oben stehen haben.

Und jetzt kommt die alles entscheidende Frage: So what?

Ich habe weder „Faust“ noch „Die Buddenbrooks“ noch „Die Säulen der Erde“ gelesen, Bücher von denen ich weiß, dass sie bei vielen Leuten aus verschiedensten Gründen in der Muss-man-gelesen-haben-Ecke ihren Platz haben.

Dafür kann es vorkommen, dass ich wellensittichähnlich den Kopf verwundert etwas schief lege, wenn ich erfahre, dass jemand weder den Fänger im Roggen noch „Per Anhalter durch die Galaxis“ oder (ganz schlimm) „Die unendliche Geschichte“ nicht gelesen hat.

Ich glaube auch nicht daran, dass bestimmte Bücher per se wichtiger, besser oder bedeutender sind als andere. Rein Allgemeinbildungstechnisch sollte man vielleicht bei einigen Büchern zumindest grob wissen, worum es geht. Schon allein für den Fall, dass man mal bei „Wer wird Millionär?“ sitzt und danach gefragt wird. Dafür muss man aber nicht zwangsweise alles gelesen haben.

Ein angeblicher Bildungskanon wird letztlich immer nur von denen aufgestellt, die sich dadurch auf der geschmacklich sicheren und Seite wähnen. Ich vermute ja auch, dass hinter so einem „muss man gelesen haben“ auch eine gewisse Portion Faulheit steckt. Wer nämlich alles schon gelesen hat, was man angeblich gelesen haben muss – wobei ich interessant finde, dass dann oft nur so drei bis fünf Bücher, in ganz besonderen Fällen sogar nur ein einziges, genannt werden – der muss ja jetzt nicht mehr. Wenn man sich aber ernsthaft für Bücher interessiert, dann muss man eigentlich dauernd und immer neu. Ist natürlich anstrengend und zeitaufwändig. Und auch hinderlich, wenn man seine Leseansprüche neu überdenken müsste.

Kurz gesagt: Man muss gar nichts lesen. Ein paar Bücher sollte man vielleicht kennen, wobei kennen nicht zwangsweise heißt, dass man sie gelesen haben muss. Man muss auch überhaupt gar nichts lesen. Genausowenig wie man Musik hören oder Filme sehen muss.

Man kann und man sollte. Mich macht es jedenfalls glücklich.

Und wer will, kann (und sollte vielleicht) sich dieses Shirt bestellen. Gibt’s auch in anderen Variationen. In weniger rosa.

6 machen mit. to “Macht doch was ihr wollt”

  1. ReneS Says:

    Man muss nicht alles gelesen haben, man muss aber wenigstens wissen, was es ist und warum es vielleicht wichtig ist. Aber wer liest ist klar im Vorteil.

  2. Bina Says:

    „Lesen müssen“ – dabei kommt dann sowas heraus, dass Leute eine Buchhandlung betreten, zielstrebig fragen, wo denn die aktuellen Bestseller liegen, und sich, ohne überhaupt hinzugucken, einen Titel vom Stapel greifen und bezahlen. Oder die Phase, als „Herr der Ringe“ im Kino anlief und alle Welt meinte, auf einmal Tolkien lesen zu müssen. Ich gehe jede Wette ein, dass in den Fällen mindestens 3/4 der Bücher ungelesen im Regal verschwunden sind.
    Und selbst wenn es möglich wäre, einen allgemeingültigen Kanon aufzustellen (was es nicht ist, und erst recht nicht von Reich-Ranicki) – der müsste doch so umfangreich sein und ständig im Wandel begriffen, dass das eh nie ein Mensch zu Lebzeiten lesen könnte. Wo wir dann wieder bei den Lücken wären… Wobei – „Die unendliche Geschichte“ nicht gelesen zu haben ist wirklich traurig!
    😉

  3. Michael Says:

    Wow, “Die Säulen der Erde”, das ist doch nur eine billige „Sex and Crime“ Story. 😉
    > “Die unendliche Geschichte” nicht gelesen zu haben ist wirklich traurig!
    Reicht es auch, wenn ich den Film gesehen habe?
    Nichts gegen Herrn Reich Ranicki, der ist immer so schön unkorrekt. 😉

  4. Mathias Says:

    Boah, Respekt! Du hast dich tatsächlich durch „Buddenbrooks“ durchgeackert. Ich konnte mir das nicht antun, obwohl jeder sagt: „Das MUSS man gelesen haben“ und den besonders nervigen Satz: „Wenn du ‚Buddenbrooks‘ nicht gut findest, dann hast du es nicht verstanden.“ hört man dann auch gleich im Anschluss. Ja klar…

    Ich finde, Bücher kann man durchaus auf Empfehlung lesen und vielleicht sogar gut finden (Ich habe auf deiner Wunschliste „Exercices de style“ von Queneau gefunden -> DARF man gelesen haben 😉 ), aber es sollte immer eine Empfehlung sein. Wenn mir ein Buch quasi „aufgezwungen“ wird, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass ich es jemals auch nur mit dem H****** anschaue.

  5. Mathias Says:

    Ach sorry, WEDER. Übersehen 😉 Du hast es also nicht gelesen… wie gesagt, meiner Meinung nach hast du nicht viel verpasst.

  6. Nur mein Standpunkt » Unlesbare B Says:

    […] Anne schreibt bei Trivial Delight

Leave a Reply

You must be logged in to post a comment.