Macht doch was ihr wollt
Montag, Juni 12th, 2006Ich reagiere ja allergisch, wenn ich sowas höre wie „Das muss man gelesen haben“ oder ähnliche Formulierungen.
Meiner Ansicht nach muss man erstmal überhaupt nichts gelesen haben. Heutzutage kann man ja froh sein, wenn überhaupt noch gelesen wird, denn das ist ja offensichtlich auch nicht selbstverständlich. Da noch Ansprüche stellen zu wollen, was denn dann bitte schön so im Einzelnen gelesen werden sollte, scheint mir ein wenig gewagt und sieht generell nicht so gut aus. Bei keinem.
Wahrscheinlich hat jeder halbwegs bücherinteressierte Mensch seine eigene ganz persönliche Liste mit den Büchern, die er für besonders unverzichtbar hält. Ich behaupte hier aber auch direkt mal ganz dreist und unverschämt, dass die bei jedem anders aussieht und auf meiner Liste Bücher stehen, von denen andere noch nie gehört haben, während auf der anderen Seite Bücher fehlen, die andere auf ihrer Liste ganz weit oben stehen haben.
Und jetzt kommt die alles entscheidende Frage: So what?
Ich habe weder „Faust“ noch „Die Buddenbrooks“ noch „Die Säulen der Erde“ gelesen, Bücher von denen ich weiß, dass sie bei vielen Leuten aus verschiedensten Gründen in der Muss-man-gelesen-haben-Ecke ihren Platz haben.
Dafür kann es vorkommen, dass ich wellensittichähnlich den Kopf verwundert etwas schief lege, wenn ich erfahre, dass jemand weder den Fänger im Roggen noch „Per Anhalter durch die Galaxis“ oder (ganz schlimm) „Die unendliche Geschichte“ nicht gelesen hat.
Ich glaube auch nicht daran, dass bestimmte Bücher per se wichtiger, besser oder bedeutender sind als andere. Rein Allgemeinbildungstechnisch sollte man vielleicht bei einigen Büchern zumindest grob wissen, worum es geht. Schon allein für den Fall, dass man mal bei „Wer wird Millionär?“ sitzt und danach gefragt wird. Dafür muss man aber nicht zwangsweise alles gelesen haben.
Ein angeblicher Bildungskanon wird letztlich immer nur von denen aufgestellt, die sich dadurch auf der geschmacklich sicheren und Seite wähnen. Ich vermute ja auch, dass hinter so einem „muss man gelesen haben“ auch eine gewisse Portion Faulheit steckt. Wer nämlich alles schon gelesen hat, was man angeblich gelesen haben muss – wobei ich interessant finde, dass dann oft nur so drei bis fünf Bücher, in ganz besonderen Fällen sogar nur ein einziges, genannt werden – der muss ja jetzt nicht mehr. Wenn man sich aber ernsthaft für Bücher interessiert, dann muss man eigentlich dauernd und immer neu. Ist natürlich anstrengend und zeitaufwändig. Und auch hinderlich, wenn man seine Leseansprüche neu überdenken müsste.
Kurz gesagt: Man muss gar nichts lesen. Ein paar Bücher sollte man vielleicht kennen, wobei kennen nicht zwangsweise heißt, dass man sie gelesen haben muss. Man muss auch überhaupt gar nichts lesen. Genausowenig wie man Musik hören oder Filme sehen muss.
Man kann und man sollte. Mich macht es jedenfalls glücklich.
Und wer will, kann (und sollte vielleicht) sich dieses Shirt bestellen. Gibt’s auch in anderen Variationen. In weniger rosa.